Predigt zum 4. Sonntag nach Ostern Kantate, 02.05.2021

Erstellt am Sonntag, 02. Mai 2021 17:49

Von Pastor i.R. Wolfram Wiemer

Liebe Gemeinde!

„Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön!“

Heute ist der Sonntag „Kantate“, zu deutsch: „Singt.“

Wir würden im Gottesdienst viele schöne, schwungvolle Lieder aus vollem Herzen singen oder in dieser besonderen Zeit wenigstens hören.  Das ist das Markenzeichen dieses Sonntages: Singen oder der Musik zuhören, damit die Seele durchatmen kann. Es wäre so wichtig gerade in dieser Zeit.

Singen, musizieren, tut gut. Singen und musizieren lässt uns durchatmen.

„Du, meine Seele, singe, wohlauf und singe schön!“

Von dem Geist Gottes und der befreienden Kraft der Musik erzählt unser heutiger Predigttext aus dem Alten Testament, 1. Buch Samuel 16,14-23.

 

Der Geist des HERRN wich von Saul,

und ein böser Geist vom HERRN verstörte ihn.

Da sprachen die Knechte Sauls zu ihm:

   Siehe, ein böser Geist von Gott verstört dich.

Unser Herr befehle nun seinen Knechten,

      die vor ihm stehen,

   dass sie einen Mann suchen,

     der auf der Harfe gut spielen kann,

   damit, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt,

     er mit seiner Hand darauf spiele,

     und es besser mit dir werde.

Da sprach Saul zu seinen Knechten:

   Seht nach einem Mann, der des Saitenspiels kundig ist,

      und bringt ihn zu mir.

Da antwortete einer der jungen Männer und sprach:  

   Ich habe gesehen einen Sohn Isais, des Bethlehemiters,

     der ist des Saitenspiels kundig,

   ein tapferer Mann und tüchtig im Kampf,

     verständig in seinen Reden und schön,

   und der HERR ist mit ihm.

Da sandte Saul Boten zu Isai und ließ ihm sagen:

   Sende deinen Sohn David zu mir, der bei den Schafen ist.

Da nahm Isai einen Esel und Brot

      und einen Schlauch Wein und ein Ziegenböcklein

   und sandte es Saul durch seinen Sohn David.

So kam David zu König Saul und diente ihm.

Und Saul gewann ihn sehr lieb,

      und er wurde sein Waffenträger.

Und Saul sandte zu Isai und ließ ihm sagen:

   Lass David mir dienen,

     denn er hat Gnade gefunden vor meinen Augen.

Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam,

    nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand.

So erquickte sich Saul, und es wurde besser mit ihm,

  und der böse Geist wich von ihm.

Es ist eine Geschichte von Schwermut und Befreiung. Von einem guten und von einem bösen Geist. Von König Saul, der verstört ist. Von David, der ihm auf der Harfe spielt.

Es wird erzählt von der befreienden Kraft der Musik – und von einem bösen Geist, der weicht.

 

David, der Sohn Isais aus Bethlehem, zunächst ein unscheinbarer Hirtenjunge, wird Sauls Nachfolger werden. Saul selbst ist von Gott verworfen, weil er Gottes Anweisungen nicht befolgt hat.  David wird von den Dienern Sauls gerufen, um ihm auf der Harfe zu spielen, um Saul aus seinen düsteren Gedanken zu befreien. David wird als tapferer Mann beschrieben, als guter Kämpfer, als verständig und schön. Gott ist mit ihm.

Saul ist voller Ängste und dunkler Vorahnungen. David nimmt die Harfe zur Hand. Und es wurde besser mit Saul.

Wahrscheinlich haben Sie auch diese Erfahrung gemacht: Musik als Stimmungsaufheller, als etwas, was der Seele guttut, die uns aus depressiven Phasen heraushelfen kann.

In unseren Gottesdiensten wird viel gesungen und musiziert. Gesang und Musik sind aus ihnen nicht wegzudenken. Aber wenn wir der Organistin danken, weil sie den Gottesdienst so schön „ausgeschmückt“ habe, oder dem Posaunenchor, weil er die Lieder so schwungvoll „begleitet“ habe, oder dem Chor, weil er schöne Lieder „vorgetragen“ habe, wird uns nicht bewusst, dass Musik mehr ist als eine willkommene Stütze im Gemeindegesang. Sie ist mehr als festliche Umrahmung des Gottesdienstes. Das hat Johann Sebastian Bach wohl gemeint, als er unter seine Notenblätter schrieb: Soli deo gloria (Gott allein sei Ehre).

Musik ist im Gottesdienst mehr als nur Untermalung, Ausschmückung oder Begleitung. Sie nimmt das Wort Gottes auf und führt es in unser Herz hinein und lässt die Seele schwingen. Wohl hat auch die Sprache ihre Musik, ihren Rhythmus, ihre eigene Melodie und kann uns innerlich zum Schwingen bringen. Im Gottesdienst ergänzen sich das Wort Gottes, wie wir es in der Bibel finden und die Musik. Sie Sprechen und singen und spielen miteinander. In uns kann etwas besser werden. So erlebe ich Musik im Gottesdienst.

Wir lesen es in unserem Predigttext (im Gottesdienst würden wir ihn als gesprochenes Wort hören, das Wechselspiel zwischen Sprache und Gesang/Musik würde deutlich): David spielte Saul auf der Harfe, und es ging ihm besser. Es geht uns, hoffentlich, besser.

Soweit so gut. Aber unser Predigttext hat noch eine andere Ebene.

Schauen wir noch einmal in die Geschichte, so werden wir verwundert oder irritiert feststellen, dass es einen bösen Geist Gottes gibt. Gottes Geist weicht von Saul und dessen Stelle nimmt ein böser Geist ein, der ebenfalls von Gott selbst kommt (Vers 1). Saul erscheint durch ihn wie ein Besessener. Im 1. Samuelbuch können wir lesen, wie Saul sich um Gott müht und Gott in dunkler Weise eingreift.

Zur Zeit Sauls und Davids wurde die Wirkung von Musik nicht nur auf den leidenden Menschen direkt bezogen, sondern auch auf böse Geister, die vor der Musik fliehen.

Wir bringen Gott eher nicht mit Bösem in Verbindung. Er ist doch der „liebe Gott.“

An diesem Problem arbeite ich mich mein ganzes Leben ab angesichts vielen Leides in unserer Welt. Vielleicht geht es manchen unter Ihnen ebenso. 

Ich halte ich mich gerne an Martin Luther, der gesagt hat:  Ich fliehe von Gott zu Gott. Von dem unverständlichen Gott, von seiner dunklen Seite hin zu Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus. Wenn es in Coronazeiten hart auf hart kommt, dann kann ich nur noch von Gott zu Gott fliehen.

„Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam, nahm David seine Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So erquickte sich Saul, und es wurde besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm.“

David, dessen Aufstieg Sauls Schicksal besiegeln wird, wie wir im weiteren Verlauf des 1. Samuelbuches lesen, wendet die Wirkung des göttlichen Zornes von ihm ab – durch seine musikalische Begabung.

Der böse Geist flieht vor der Musik. Vor der Musik Davids, in dem unser Herr Jesus Christus aufscheint nach der Verheißung des Alten Testamentes: „Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen (Jesaja 11,1).“ In Jesus Christus kommt das Heil Gottes endgültig in unsere Welt.

Ich frage mich, ob es übertrieben ist zu sagen: Mit der Musik fliehe ich von Gott zu Gott, dem Vater Jesu Christi, der gesagt hat: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt?“

Das könnte uns ermutigen, den heutigen Sonntag Kantate beim Wort oder genauer: Bei der Musik zu nehmen, und böse Geister vertreiben.

 „Singt“ – oder spielt oder beides.

Wer sich traut, nehme das Gesangbuch, und versuche es mit dem einen oder anderen Lied. Summen hilft auch schon. Oder auch: Nehme ein Instrument und spiele, krame die alte Blockflöte hervor aus längst vergangenen Zeiten. Oder singe und spiele für jemanden, der es dringend nötig hat – draußen im Garten oder aus dem Fenster oder wo immer möglich.

Du meine Seele, singe und spiele. Soli deo gloria.

Amen – Ja, so soll es sein.

 

Lesungen im Gottesdienst für den Sonntag Kantate

Alttestamentliche Lesung=Predigttext

Daher empfiehlt sich der Wochenpsalm: Psalm 98

 

Neues Testament:

Epistel:             Kolosser 3,12-17

Evangelium:    Lukas 19,37-40

 

Wer die Geschichte von Saul und David lesen will:

Altes Testament, 1. Samuel 9 - 2. Samuel 1

 

Lieder der Woche:

Du meine Seele, singe (Paul Gerhardt 1653)

 

Ich sing dir mein Lied.

(Text und Melodie aus Brasilien, s.u., 1994)

 

Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben. /

Den Rhythmus, den Schwung hast du mir gegen /

Von deiner Geschichte, in die du uns mitnimmst, /

du Hüter des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

 

Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben. /

Die Tonart, den Takt hast du mir gegeben /

von Nähe, die heil macht, wir können dich finden, /

du Wunder des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

 

Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben. /

Die Höhen und Tiefen hast du mir gegeben /

Du hälst uns zusammen trotz Streit und Verletzung, /

du Freundin des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

 

Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben. /

Die Töne, den Klang hast du mir gegeben / 

von Zeichen der Hoffnung auf steinigen Wegen, /

du Zukunft des Lebens. Dir sing ich mein Lied.


Über Rückmeldungen und Kritik freue ich mich.

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