Predigttext für den 1. Sonntag nach Ostern, 11.04.2021

Erstellt am Samstag, 10. April 2021 13:52

Name des SonntagsQuasimodogeniti – Wie die Neugeborenen

Liebe Gemeinde!

         Vor einer Woche konnten wir das Osterfest feiern. Im Kirchenjahr hat gerade erst die österliche Freudenzeit begonnen, die bis Pfingsten geht. Ostern ist also noch lange nicht vorbei!   Ostern feiern wir, weil Hoffnungslosigkeit, Leiden und Tod nicht das Letzte sind. Vielmehr hat Gott den Tod überwunden. Jesus ist auferweckt zu neuem Leben!

         Das  ist schwer zu fassen und  kaum zu glauben. Und so, wie es uns heute geht, wenn wir von Dingen hören  oder  etwas erfahren, was wir nicht für möglich gehalten haben, so war es auch damals. Es dauert seine Zeit, bis man begreift, dass selbst das Unmögliche möglich ist. Es dauert oft seine Zeit, bis aus Verzweiflung Hoffnung wird  und neue Wege gefunden werden. 

         In der Bibel wird vom Abend des  Ostersonntags erzählt. Es war der dritte Tag, nach dem Jesus am Kreuz gestorben war.  Die Jünger hatten sich in einem Raum getroffen, hinter verschlossenen Türen, voller Angst.

     Der Evangelist Johannes schreibt:

Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt waren und die Türen verschlossen waren aus Angst vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit Euch! Und als er ihnen das gesagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, als sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich Euch! ...(Joh 20, 19-21)

         Die Jünger denken, dass die Feinde von Jesus alles zerstört  haben und dass alles vorbei ist. Aber dann  ist er da!   Den Eingeschüchterten,  die  hinter ihren verschlossenen Türen hocken, sagt er: Friede sei mit euch! Was auch immer da genau passiert ist. Fest steht: Die Begegnung mit dem Auferstandenen hat das Leben der Jünger fundamental verändert. 

         Friede sei mit euch! Das ist ein Zuspruch, den auch wir in diesen Tagen gut gebrauchen können. Die Angst vor der Infektion mit dem Corona-Virus baut überall unsichtbare  Mauern zwischen Menschen auf. Wir sollen uns aus dem Wege gehen, Kontakte vermeiden – und wir tun es.   Das belastet ungemein. Ich  verstehe zwar, dass das notwendig ist. Aber langsam geht mir die Luft aus. Ich werde  mürbe. Überall Einschränkungen: Ich gehe Begegnungen aus dem Weg, die mir vertraut sind und die ich gerne hätte. Kontakte, die mich beleben könnten, meide ich. Und ich weiß: Andere machen es  auch so.  Der Fluss des Lebens, zu dem doch wesentlich auch die Beziehungen zu Anderen gehören, ist teilweise  zu einem dünnen Rinnsal geworden.

         Die Jünger damals haben sich eingeschlossen in ihrer Angst. Und ich baue heute aus gutem Grund an vielen Stellen  meine unsichtbaren Mauern auf. Ist es bei mir nicht ähnlich wie bei ihnen?  Eingeengt und geradezu eingeschnürt von den vielen  Begrenzungen,  können wir  uns nicht so bewegen und verhalten, wie wir es gerne hätten. So kann ich nicht frei atmen. 

         Ähnlich  ging es wohl den  Jüngern hinter ihren verschlossenen Türen. Und dann tritt Jesus  mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! Zwei mal!  Die Jünger freuen sich und   spüren, wie das  Leben in ihnen  neu zu pulsieren beginnt. Ich kann mich von dem, was mich eingeschnürt und beengt hat, befreien und tief durchatmen. Etwas von dem  göttlichen Atem wird spürbar,  mit dem das Leben schon immer begonnen hat und immer wieder neu beginnen kann. Die Begrenzungen und Bedrohungen sind noch immer da, aber  ihre Macht wird gebrochen. Das Zerstörerische wird zerstört!

         Der österliche Friede sprengte die verschlossenen Türen, hinter denen sich die Jünger voll Angst zurück gezogen hatten. Die Botschaft vom österlichen Frieden gilt auch uns: Die vielen Begrenzungen und Einschränkungen sind zur Zeit (noch) nötig. Aber auch, wenn wir uns noch immer daran halten müssen, will Neues anfangen zu leben. Der Fluß des Lebens ist nicht aufzuhalten und sucht sich  neue Bahnen. In all den Einschränkungen ist ja schon etwas  ganz Neues selbstverständlich geworden, was wir unbedingt beibehalten müssen:  Wer hätte es vor anderthalb Jahren für möglich gehalten, dass allen der Schutz von alten,  schwachen und kranken Menschen wichtiger ist als all das, was sonst immer das Wichtigste sein soll: Produzieren, Verkaufen, Verbrauchen, Kaufen, Konsumieren  und nicht zu vergessen: „Entsorgen“.

         In die  Wirtschaftsmaschinerie, der sich doch sonst nichts und niemand in den Weg stellen darf, ist an vielen Stellen massiv eingegriffen worden. Vor 15 Monaten wäre jeder zurückgepfiffen worden, der zu  sagen gewagt hätte, dass es Wichtigeres gibt  als die Steigerung des Bruttosozialprodukts. Aber: Wichtiger ist der Schutz des Lebens.  Von diesem neuen Weg, auf den wir uns  alle in einem weitgehenden Konsens  gemacht haben, sollten wir nicht wieder abkommen.  Wirtschaft ist nötig.  Aber der Schutz von Mensch und hoffentlich auch von Natur wird höher gestellt  als die herkömmliche Art, zu wirtschaften!  In seiner Encyklika ‚Fratelli tutti‘ vom Herbst vergangenen Jahres fordert Papst Franziskus, dass jede ökonomische Theorie und jedes ökonomische Handeln, anders als bisher üblich, der Prämisse der ‚politischen Liebe‘ unterstellt werden müsse.

         Die Jünger hörten die Botschaft des Auferstandenen, die auch uns gilt:  Friede sei mit euch! Und: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!   Gott will mit seinem Frieden Einzug halten in unser Leben. Das ist nicht so schnell zu begreifen. Und so  bekommen wir dafür in der österlichen Freuden-zeit einige Wochen Zeit. Die Osterbotschaft mit ihrem: „Friede sei mit Euch!“  kann uns  Wegweisung in ein erneuertes Leben geben und  gute Gedanken bringen.

         Die Friedensbotschaft des Auferstandenen kann uns erfinderisch machen. In seiner Encyklika schreibt Papst Franziskus u.a.: „Die Zerbrechlichkeit der weltweiten Systeme angesichts der Pandemie hat gezeigt, dass nicht alles durch den freien Markt gelöst werden kann.“ Und: „Es gibt Dinge, die durch neue Grundausrichtungen und bedeutende Verwandlungen verändert werden müssen.“

         Wir selber können zu Boten des österlichen Friedens werden. Schließlich müssen auch die Sorgen der jungen Menschen von Fridays for Future ernst genommen werden. Es geht aber nicht nur darum, angeblich umweltfreundlichere Technologien einzuführen und ansonsten weiter zu leben wie gehabt, und dabei dann  an vielen Stellen  den Energiebedarf noch  weiter zu erhöhen.  Es geht darum, Fragen an unseren ausufernden Lebensstil zu stellen. Die Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie haben gezeigt, dass eine umfassende Umstellung möglich ist. Und die ist noch mehr  angesichts der drohenden Klimakatastrophe dringend nötig!

         Franziskus betont, dass es um eine neue Grundausrichtung und bedeutende Verwandlungen geht. Es dient dem Frieden, wenn wir uns für eine hohe Lebensqualität für alle einsetzen. Das scheint mir wichtiger als der Hinweis auf die Sicherung von ‚unserem Wohlstand‘. Oft genug soll so verhindert werden,  ungerechte Besitzverhältnisse in Frage zu stellen. Da haben einige viel mehr als genug, und andere wissen nicht, wie sie über die Runden kommen können. Denen, deren wirtschaftliche Existenz z.Z. bedroht ist, muss geholfen werden. Aber wenn wir überlegt handeln wollen, sollten wir genau überlegen, was dem Frieden dient, wie wir das  Leben fördern können, und wie wir das Ganze unter der Prämisse der ‚politischen Liebe‘ weiter entwickeln können.

Geben wir dem Frieden, den Gott uns schenken will, Raum und machen wir so  voller Zuversicht weitere Schritte hinein in die österliche Freudenzeit:

        „Gott ruft uns Menschen alle; er zieht die Grenze nicht. Denn die im Dunkeln wohnen, holt er zu sich ins Licht. …. Aus Süden und aus Norden, lädt er sie, arm und reich. Für ihn sind alle Gäste, aus allen Völkern gleich. … Der Herr weist uns die Orte, im neuen Leben an. Dort bricht durch uns der Friede, der allen gilt, sich Bahn. Die Zukunft steht uns offen, bei Brot und Wein und Fisch. Der Herr, dem wir heut‘ danken, deckt morgen auch den Tisch.“

(Evangel. Gesangbuch aus dem Lied 570)                                                                              Amen

Predigt von P.i.R Klaus-Henning Dageförde